Eine der entscheidenden Fragen, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit und Insekten geht, ist, ob wir Fleisch denn nicht einfach durch pflanzliche Lebensmittel ersetzen könnten. Die Antwort ist simpel: ja, das könnten wir – theoretisch. Es wäre nachhaltig, gesund und lecker schmeckt es ja auch. Warum also Insekten essen? Oder In-Vitro Fleisch? Natürlich habe ich mir dazu auch Gedanken gemacht, und die Antwort darauf ist im Prinzip genauso simpel: Die wenigsten Menschen wollen ausschließlich pflanzliche Lebensmittel essen, nur wenige ihren Fleischkonsum überhaupt reduzieren. Eine mögliche Lösung könnte es sein, aus Nachhaltigkeitsgründen einfach weniger Fleisch zu produzieren, so dass der Konsum von Fleisch aufgrund des verringerten Angebots zurückgeht. Eine weitere Lösung wäre es, nachhaltige Alternativen zu Fleisch zu finden, wie beispielsweise Insekten oder In-Vitro Fleisch. In der Realität werden wir wahrscheinlich mehrere Lösungen benötigen, um die Ressourcen unseres Planeten zu schonen und die Weltbevölkerung mit ausreichend tierischem Protein zu versorgen.
Brauchen Menschen überhaupt tierische Lebensmittel?
Könnten wir nicht einfach auf tierische Lebensmittel verzichten und vegan leben? Ich wage mal den Versuch, diese Fragestellung völlig objektiv zu durchleuchten.
Schimpansen, also die Menschenaffen, deren Merkmale innerhalb des Körperbaus am stärksten denen des Menschen ähneln, ernähren sich zu einem sehr großen Teil von Pflanzen, Samen, Nüssen, Baumrinde usw. – also pflanzlich. Zu ihrer Ernährung gehören jedoch auch ab und zu Insekten, Eier und kleine Wirbeltiere, womit sie wie der Mensch zu den Allesfressern gehören. Rein evolutionsbiologisch ist der menschliche Organismus also an eine omnivore (allesfressende) Ernährung angepasst. Dazu gehört der Bau des Verdauungsapparates genauso wie der Bedarf an bestimmten Nährstoffen, die wir zum Teil ausschließlich über tierische Lebensmittel zuführen können. Dazu gehört vorwiegend das Vitamin B12, das Veganer supplementieren müssen. Einen anderen Weg, B12 aufzunehmen, gibt es nicht. Aber auch die Tatsache, dass wir sowohl Nährstoffe wie Eisen als auch Proteine aus tierischen Lebensmitteln besser aufnehmen können als aus pflanzlichen Lebensmitteln zeigt, dass der menschliche Organismus nicht auf eine rein pflanzliche Ernährung ausgelegt ist. Der „Hunger“ auf Fleisch ist also definitiv nichts Verwerfliches, sondern etwas biologisch ganz Natürliches. Das einzige wirkliche Problem ist die Höhe des Konsums – und natürlich die zum Großteil desaströse Tierhaltung.
Einfach weniger Fleisch essen – Theorie versus Praxis
Die meisten Menschen weltweit essen bereits heute wenig Fleisch, weil es ihnen schlichtweg nicht zur Verfügung steht. Das Problem sind die reicheren Länder, in denen die Nachfrage und der Konsum enorm sind, Tendenz weltweit weiter steigend. Denn nicht nur die Weltbevölkerung wächst dramatisch, es ist auch der Mittelstand, der wächst. Und je mehr Menschen es sich leisten können, Fleisch zu essen, desto größer wird der weltweite Fleischkonsum. In der Theorie ist es natürlich möglich, den Fleischkonsum durch Verzicht zu reduzieren. In der Praxis zeigt sich an den aufstrebenden Ländern, dass dort der Konsum von Fleisch – selbst in traditionellen Kulturen mit nahezu veganer/vegetarischer Ernährung – enorm ansteigt. Von den reicheren Ländern mal abgesehen, in denen ein Rückgang des Fleischkonsums zwar insgesamt zu beobachten ist, aber leider nicht in ausreichender Menge, um die Nachhaltigkeitsprobleme zu lösen, vor denen wir stehen.
Blicken wir in die Zukunft, werden schwindende Ressourcen und die wachsende Weltbevölkerung , falls die Fleischproduktion nicht sehr viel effektiver gestaltet werden kann, die zur Verfügung stehende pro Kopf Menge an Fleisch reduzieren. Nehmen wir an, es wäre tatsächlich möglich, die gesamte Weltbevölkerung rein rechnerisch auch in 100 Jahren noch mit ausreichend tierischem Protein aus Fleisch zu versorgen, aber eben in einer weitaus geringeren pro Kopf Menge, als sie heute noch zur Verfügung steht. Wie würde die Realität aussehen? Wahrscheinlich würden reiche Länder weiterhin viel Fleisch konsumieren, während der Rest der Weltbevölkerung nun gar keine Quelle mehr zu tierischen Lebensmitteln besitzt.
Könnte eine vegetarische Ernährung die Lösung sein?
Die Annahme, dass eine vegetarische Ernährung das Alheilmittel zur Rettung des Klimas und zur Schonung von Ressourcen ist, ist nicht korrekt. Denn auch die Herstellung von Milchprodukten verursacht viele Treibhausgasemissionen, die Aufzucht der Kühe und Rinder verbraucht zudem viele wichtige Ressourcen wie Futter, Wasser und Landfläche. Lassen wir Fleisch weg und substituieren es als Ausgleich mit Milchprodukten, haben wir zwar einen Vorteil gewonnen, aber leider nicht in ausreichendem Ausmaß.
Und warum könnten Insekten eine Alternative zu Fleisch sein?
Insekten sind von ihrer Nährstoffzusammensetzung mit Fleisch und Fisch vergleichbar und können diese demnach vollständig substituieren. Sie benötigen nur einen geringen Bruchteil an Ressourcen im Vergleich zu Fleisch oder Fisch und verursachen weitaus weniger Treibhausgasemissionen. Und sie können mit Resten aus der Pflanzenproduktion gefüttert werden, die heute dem Nahrungsmittelkreislauf entnommen und nicht verwertet werden. Außerdem können Insekten dazu beitragen, die Versorgung mit tierischen Lebensmitteln weltweit zu sichern, da manche Arten einfach und mit wenig Ressourcen gezüchtet werden können. Es gibt bereits heute Hilfsorganisationen, die den Menschen zeigen, wie sie Larven züchten und sich damit selbst versorgen können.
Heute sind Insekten noch keine wirkliche Alternative zu Fleisch, da es noch keine an unsere Esskultur angepassten Produkte gibt und der Ekel noch zu stark verbreitet ist. Was passiert aber, wenn das erste Hackfleisch aus Insektenprotein auf den Markt kommt, ähnlich einem veganen Hack? Ich kann aus eigener Erfahrung folgendes sagen – ich habe zahlreiche vegane Burgerpatties probiert, weil ich Burger liebe und Fleisch im Grunde auch. Die Meisten waren lecker, vor allem der Beyond Burger hat mich geschmacklich umgehauen. Umgehauen hat mich aber auch die Zutatenliste – von gesund meiner Meinung nach extrem weit entfernt. Die gesunden veganen Patties waren lecker, aber eben weit von einem echten Burger Erlebnis entfernt. Ich weiß, ich bin nicht wirklich unparteiisch, aber das Burger Patty von Bugfoundation, das es heute leider nicht mehr gibt, hat mich genau so umgehauen wie der Beyond Burger, einfach weil es einem Burger Erlebnis sehr nahe gekommen ist. Vor allem war es das Gefühl, „fleischsatt“ zu sein, das mich erstaunt hat, weil es bei den rein veganen Patties nicht der Fall war. Außer beim Beyond Burger, der mir dafür tagelang im Magen lag wie eine Tonne Blei.
Was denn nun – vegan, vegetarisch oder doch Insekten essen?
Die optimale Lösung wäre, dass wir uns alle im Konsum tierischer Lebensmittel stark einschränken und die Vielfalt pflanzlicher Lebensmittel in Anspruch nehmen. Dass alle Menschen freiwillig ihren Konsum an tierischen Lebensmitteln reduzieren, halte ich jedoch für unrealistisch. Mehrere Lösungsansätze für das Problem zu suchen, die Weltbevölkerung auch in 50 oder 100 Jahren noch adäquat mit Lebensmitteln zu versorgen, finde ich deshalb absolut angebracht. Sei es nun durch eine optimierte Fleischproduktion, Aquaponik, In-Vitro Fleisch, Algen, Insekten oder weitere, heute noch unbekannte Ansätze.
Ich persönlich denke, dass Insektenprodukte ein großes Potential haben, tierische Produkte zum Teil zu ersetzen und die weltweite Versorgung mit tierischen Lebensmitteln sicherzustellen. Es gibt schließlich einen Grund, warum weltweit so viel Geld in die Forschung rund um das Thema Insekten fließt und sich die Länder weltweit um die Einführung als Lebensmittel bemühen. Auch als Futtermittel für unsere Nutztiere werden Insekten momentan erforscht und sind zum Teil auch schon seit mehreren Jahren im Einsatz.
Und was ist mit der Ethik?
Nein, Insekten zu essen ist nicht vereinbar mit der Ethik eines Vegetariers oder Veganers. Obwohl ich an dieser Stelle anmerken muss, dass Vegetarismus meiner Meinung nach auch nicht wirklich ethisch ist. Denn die Qualen, die Kühe erleiden müssen, sind zum Teil enorm, und alle negativen Auswirkungen auf Umwelt und Mensch durch Landnutzung, Wasserverbrauch, Futtermittelverbrauch usw. sind ebenfalls hoch.
Das Thema, dass Insekten auch intelligente, fühlende Wesen sind, ähnlich wie Kühe oder Schweine, wird momentan heiß diskutiert. Selbst wenn sie es sind, wovon wir jetzt einfach mal ausgehen – wirklich interessant ist dieser Punkt ja nur für diejenigen, die aus Überzeugung vegan leben wollen. Und das sind nunmal die Wenigsten, auch wenn jeder von ihnen meiner Meinung nach einen Orden verdient.
2 Kommentare
Alternativen zum Fleischkonsum sind definitiv sehr wichtig. Das Ding mit Insekten ist, dass es vor allem an der Sozialisierung liegt, dass wir sie für eklig halten. Ich denke, dass es langfristig kaum einen Weg um diese neue Art der Nahrungsversorgung geben wird. In anderen Ländern ist es ja schon weiter verbreitet. Man muss schauen, wie sich die Sache entwickelt. Vielen Dank für den guten Beitrag!
Hallo Mirko, danke für deine Rückmeldung zu meinem Beitrag. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Nahrungsmittelversorgung in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird und hoffe, dass sich gute und nachhaltige Lösungen finden lassen. Möglicherweise werden Insekten einen Anteil daran haben. 🙂