Insekten sind nicht nur als Lebensmittel für den Menschen, sondern auch als Futtermittel für Nutztiere wie Schweine, Hühner oder Fisch interessant. Die Fütterung von Insekten anstelle von Soja hat viele Vorteile für die Umwelt, beispielsweise eine geringere Landnutzung und weniger CO2 Emissionen. Im Rahmen meines Studiums der Umweltwissenschaften habe ich die Umweltwirkungen der Fütterung von Insekten anstelle von Soja in Deutschland analysiert und kalkuliert, die gesamte Arbeit findet ihr im Grin Verlag.
Umweltprobleme durch Viehzucht und Fleischkonsum
Das Wachstum der Weltbevölkerung sowie der Mittelschicht führte in den letzten Jahrzehnten zu einem rasanten Anstieg des Fleischkonsums, mit weiter steigender Tendenz. Bis 2050 wird sich die Nachfrage nach Fleischprodukten nochmals um 75% erhöhen, prognostiziert ist eine Steigerung des Pro-Kopf Konsums von 28 kg im Jahr 2005/2007 auf 42 kg im Jahr 2050 in Entwicklungsländern und von 80 auf 91 kg in entwickelten Ländern.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung rückt die Fleischproduktion immer mehr in den Fokus der Diskussion um die Umweltwirkungen unserer Lebensweise sowie die Endlichkeit der Ressourcen unseres Planeten. Denn die Fleischproduktion verursacht signifikante Landschaftsänderungen und die Zerstörung von Ökosystemen, ist verantwortlich für 14,5% der weltweiten CO2-Emissionen und die Zerstörung der Biodiversität, und weist einen hohen Bedarf an Ressourcen wie Wasser und Energie auf.
70% der gesamten Landwirtschaftsflächen der Erde werden für die Fleischproduktion benötigt, wobei nahezu 50% davon für die Erzeugung von Futtermitteln benötigt werden (Steinfeld et al., 2006). Zudem ist die Feed Supply Chain verantwortlich für 33% der durch Viehzucht verursachten Emissionen. Ein Großteil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, denen eine Produktionsmengensteigerung von etwa 43% bis zum Jahr 2050 prognostiziert wird, wird nicht für den menschlichen Konsum, sondern für die Fütterung von Nutztieren verwendet werden.
Diese Entwicklung stellt Produzenten vor dem Hintergrund endlicher Ressourcen vor die Herausforderung, den zukünftigen Bedarf an Lebensmitteln sicherzustellen. Neben der Reduzierung des Fleischkonsums kann auch die Optimierung der Fleischproduktion, zu der unter anderem die Herstellung und Verarbeitung von Futtermitteln gehören, zur Reduzierung der Umweltschäden und zur Schonung von Ressourcen beitragen.
Soja gehört wie Raps zu den Eiweißfuttermitteln und wird in Deutschland zu nahezu 100% importiert, da im Inland nicht ausreichend Flächen für die Sojaproduktion zur Verfügung stehen (BLE, 2018). Von allen pflanzlichen Eiweißfuttermitteln ähneln der Proteingehalt und das Aminosäureprofil der Sojabohne denen von tierischem Protein am meisten, so dass Soja vor allem in der Geflügel- und Schweineproduktion nahezu unersetzlich ist. Die Nachfrage nach Soja wurde neben dem rasanten Anstieg des Fleischkonsums auch durch den BSE Skandal Anfang der 2000er Jahre verstärkt. Bei einem pro-Kopf Verbrauch von 88,1 kg Fleisch in Deutschland konsumiert jede Person indirekt etwa 36 kg Soja. Die Umweltwirkungen der Verwendung von Soja als Futtermittel sind gravierend – dazu gehören ein hoher Flächenbedarf und die Zerstörung von Ökosystemen, der Rückgang der Biodiversität, hohe CO2-Emmissionen entlang des gesamten Produkt-Lebenszyklus sowie die Verlagerung von Wasser und Nährstoffen. Zudem ist nahezu die gesamte importierte Menge an Soja gentechnisch verändert.
Fütterung von Insekten anstelle von Soja
Bei der Suche nach alternativen Proteinquellen, die Soja als Futtermittel ersetzen können, rücken Insekten immer weiter in den Fokus der Wissenschaft und Wirtschaft. Interessant ist dies aus mehreren Gründen. Zum einen, weil Insekten eine hohe Reproduktions-geschwindigkeit besitzen und zum anderen, weil sie bei geringem Flächenbedarf ein hohes Niveau der Substratverwertung aufweisen. Studien zufolge, beispielsweise einer Studie der Georg-Augustus-Universität Göttingen, sind Insekten gut dafür geeignet, Soja als Futtermittel für Nutztiere zu ersetzen, da sie ein ähnliches Aminosäureprofil sowie einen hohen Anteil an Proteinen enthalten und zudem gut verträglich sind. Sie benötigen im Vergleich zu Soja weniger Landfläche und verursachen weniger Treibhausgase. Zudem ist die Akzeptanz von Insekten als Futtermittel innerhalb der Bevölkerung und insbesondere bei Bauern recht hoch, da sie gerade bei Schweinen und Hühnern als Bestandteil der natürlichen Ernährung angesehen werden.
Meine Arbeit analysiert die Umweltwirkungen der Fütterung von Insekten anstelle von Soja in Deutschland, wobei die beiden aktuell vielversprechendsten Insektenarten Schwarze Soldatenfliege (Hermetia illucens) und Mehlkäfer(larve) (Tenebrio molitor) betrachtet werden.
Die Analyse belegt, dass die Fütterung von Insekten anstelle des Eiweißfuttermittels Soja, welches vorwiegend in den USA und Südamerika angebaut wird und dort große Landflächen belegt, zu einer verringerten Landnutzung führen könnte. Die Sojabohnen, die dadurch wieder für den menschlichen Konsum zur Verfügung stehen würden, könnten 13,4 Mio. Menschen pro Jahr ernähren. Gerade im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung wäre dies von großer Bedeutung für zukünftige Generationen. Die freiwerdende Landfläche könnte aber auch wieder in Wald- oder Grünflächen umgewandelt oder für den Anbau anderer Lebensmittel genutzt werden.
Im Hinblick auf die CO2 Emissionen ist die Einsparung ebenfalls beachtlich – bei Fütterung von Hermetia illucens entspricht sie etwa 10% der CO2 Emissionen der deutschen Landwirtschaft im Jahr 2016. Der höhere Energieverbrauch beider Insektenarten resultiert aus der für die Aufzucht erforderlichen Temperatur sowie dem hohen Wasseranteil der Larven, der einen energieintensiven Trockungsprozess zur Folge hat. Der Energieverbrauch könnte jedoch durch die Nutzung von Abwärme bestehender Industriestandorte gesenkt werden. Während CO2 Emissionen und Energiebedarf durch zahlreiche Maßnahmen und Technologien weiter verbessert werden können, stellt Land eine begrenzte Ressource dar. Wird Landfläche in naher Zukunft knapp, könnte eine geringe Landnutzung für den Anbau und die Produktion von Futter- und Lebensmitteln wichtiger werden als Emissionen oder ein hoher Energieverbrauch.
Neben der Tatsache, dass die Verwendung von Insekten als Futtermittel zur Freiwerdung von Landfläche und damit zur Versorgung zukünftiger Generationen mit Lebensmitteln führen könnte, ergeben sich aus der Insektenzucht Nebenprodukte, die in verschiedenen Bereichen Anwendung finden könnten. Da Hermetia illucens und Tenebrio molitor jedoch einen sehr hohen Anteil an Fett haben, welches qualitativ hochwertig ist, könnte das für die Erzeugung von Biodiesel verwendete Sojaöl durch aus Insekten gewonnenes Öl ersetzt werden. Neben Fett ist auch Dünger ein Nebenprodukt der Insektenzucht. Dieser Biodünger könnte künstlich hergestellten Dünger ersetzen, der einen großen Anteil an den N2O Emissionen der Tierzucht hat. N2O wird ein im Vergleich zu CO2 über 300-faches Klimaerwärmungspotential zugeschrieben.
Obwohl viele Publikationen von Insekten als dem neuen „grünen Protein“ sprechen, weil sie mit nicht optimal genutzter Biomasse gefüttert werden können, lassen sie außer Acht, dass ein großer Teil dieser Biomasse bereits anderweitig für die Fütterung von Tieren, die Erzeugung von Biogas oder als Kompost verwendet wird. Es ist demnach zu prüfen, inwiefern Insekten diese Biomasse effizienter nutzen könnten und wie viel Biomasse überhaupt zur Verfügung stehen würde. Die aktuelle Rechtslage, die zum heutigen Zeitpunkt die Fütterung mit organischen Abfällen, Exkrementen und tierischen Proteinen verbietet, stellt ein weiteres Hemmnis dar.
Industrialisierung von Insekten als Futtermittel
Die Insektenzucht steckt noch in den Kinderschuhen und zeigt große Potentiale im Hinblick auf die Optimierung von Zuchtmethoden, verwendeten Substraten, Reproduktion und Sterberaten. Die Industrialisierung von Insekten als Futtermittel wird jedoch aktuell durch die Gesetzgebung, durch fehlende Lebenszyklusanalysen und durch zum Teil erhebliche Lücken in der Forschung gehemmt. Um die Industrialisierung der Insektenproduktion für die Verwendung als Futtermittel voranzutreiben, sind weitere, direkt miteinander vergleichbare Studien im industriellen Maßstab erforderlich.
Die Umweltwirkungen der Verwendung von Insekten anstelle von Soja sind demnach stark von den Produktionsmethoden und – mengen, den verwendeten Substraten, den Produktionsorten und den Supply Chains abhängig. Auch bestehen Wechselwirkungen mit anderen Futter- und Nahrungsmitteln, die bei einer globalen Betrachtung berücksichtigt werden müssen.
Den Vorteilen der Verwendung von Insekten als Futtermittel anstelle von Soja stehen demnach viele Unsicherheiten und Datenlücken gegenüber. Weitere Forschungen sind dringend erforderlich, um diese Lücken zu schließen und die Insektenzucht auf ein industrielles Niveau zu heben.
Quellen (kleiner Auszug)
Hunter, D. (2018): Feeding the 45 million: Substituting soybean protein with insect protein within EU poultry & egg production. Master Thesis an der Swedish University of Agricultural Sciences Uppsala, Department of Ecology.
Salomone, R.; Saija, G.; Mondello, G.; Gianetto, A.; Fasulo, S.; Savastano, D. (2017): Environmental impact of food waste bioconversion by insects: Application of Life Cycle Assessment to process using Hermetia illucens. In: Journal of Cleaner Production, 140, 890-905.
Thévenot, A.; Rivera, J. L.; Wilfart, A.; Maillard, F.; Hassouna, M.; Senga-Kiesse, T.; Le Féon, S.; Aubin, J. (2017): Mealworm meal for animal feed: Environmental assessment and sensitivity analysis to guide future prospects. In: Journal of Cleaner Production, 170, 1260-1267.
Van Huis, A.; Van Itterbeck, J.; Klunder, H.; Mertens, E.; Halloran, A.; Muir, G.; Vantomme, P. (2013): Edible insects: future prospects for food and feed security. Rome: Food and agriculture organization oft he United Nations (FAO)
Velten, S.; Liebert, F. (2018): Larven der schwarzen Soldatenfliege (Hermetia illucens) als potentieller Proteinlieferant in der Schweine- und Geflügelernährung. https://www.proteinmarkt.de/fachartikel/kw31-larven-der-schwarzen-soldatenfliege-hermetia-illucens-als-potentieller-proteinlieferant-in-der-schweine-und-gefluegelernaehrung/