Die letzten Wochen waren etwas turbulent, aber heute bin ich endlich dazu gekommen, den Artikel über das Symposium InsectSpace 2018 zu schreiben. Kurz vorneweg – es war unglaublich spannend und ich war total happy, so viele Leute kennen zu lernen, die genau so Insekten begeistert sind wie ich!
Über Bugfoundation habe ich schon vor einigen Monaten einen Artikel veröffentlicht und durfte Max und Baris jetzt endlich persönlich treffen, außerdem hatte ich eine tolle Zeit mit Daniel von Plumentofoods und spannende Unterhaltungen mit tollen Leuten, die schon viel geschafft und/oder noch viel vorhaben. Das Vortragsprogramm war eine tolle Mischung aus Theorie und Praxis, hat mir einige neue Denkanstöße gegeben und mich darin bestärkt, meine Masterarbeit über dieses unglaublich vielfältige und hochspannende Thema zu schreiben.
Worum ging es auf dem Sysposium InsectSpace 2018?
Das Hauptaugenmerk des Symposiums lag auf der Frage, wie wir den Ekel und die Abneigung gegen Insekten überwinden können. Dieser Frage sind Forscher, Lebensmittelwissenschaftler, Unternehmer und Lebensmitteldesigner nachgegangen und haben ihre Erkenntnisse darüber, warum und wie Insekten in unserer Ernährung einsetzt werden sollten, vorgetragen.
Die Haupttreiber des Marktwachstums für Speise-Insekten sind die steigende Nachfrage nach Protein und nährstoffreichen Lebensmitteln, der Wunsch nach einer ökologisch nachhaltigen Produktion und das Bedürfnis nach Nahrungssicherung. Zu den Herausforderungen gehören die die westlichen Ernährungsmuster, die fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen und die Abneigung gegen Insekten als Lebensmittel.
Nach Meinung der Vortragenden benötigen westliche Gesellschaften gezielte Bildungsprogramme und Medienkommunikationsstrategien, die sich mit der Abneigung gegen Insekten beschäftigen. Die Einflussnahme auf die Öffentlichkeit sowie auf politische Entscheidungsträger und Investoren in der Lebensmittelindustrie durch die Bereitstellung fundierter Informationen über das Potenzial von Insekten als Nahrungsquellen kann dazu beitragen, Insekten weltweit auf die Tagesordnung von Politik und Forschung zu setzen. Unternehmen müssen ihre Marketingstrategien und Produktentwicklungen verbessern, um die Neugierde und Akzeptanz von Lebensmitteln mit Insekten zu steigern.
Keynote Speaker
Marcel Dicke (Niederlande) ist Professor für Entomologie und Leiter des Labors für Entomologie an der Universität Wageningen, Niederlande. Sein Interesse gilt der Erforschung von Möglichkeiten, Insekten zur Lösung gesellschaftlicher Probleme einzusetzen. Er ist zudem einer der Autoren des „Insect Cookbook“.
Jonas House (Niederlande) ist Dozent für die Gruppe Soziologie des Konsums und der Haushalte an der Universität Wageningen & Research. Seine Forschungsinteressen konzentrieren sich auf die Ernährungsumstellung und insbesondere auf neuartige Lebensmittel und Fragen im Zusammenhang mit ihrer Etablierung und öffentlichen Akzeptanz. Seine bisherigen Forschungen haben essbare Insekten und Sushi untersucht. Er interessiert sich auch dafür, wie Produktion und Konsum sich gegenseitig beeinflussen und gestalten.
Marian Peters (Niederlande) ist CEO von New Generation Nutrition. Sie wirkt proaktiv bei der Schaffung einer globalen Insektenindustrie für Futter- und Lebensmittel aus Insekten mit und entwickelt neue Produkte und Konzepte.
Massimo Reverberi (Thailand) ist der Gründer von Bugsolutely Thailand und Bugsolutely China, zwei Start-ups auf dem neuen, boomenden Markt für essbare Insekten. Bugsolutely Thailand produziert und vermarktet Grillen Pasta, die erste Pasta mit Grillenmehl. Bugsolutely China hat seinen Sitz in Shanghai und produziert mit Bella Pupa den ersten Snack auf Seidenraupenbasis.
Lee Cadeski (Kanada) ist Mitbegründer von C-fu Foods. Er leitet die Forschung und Entwicklung zur Herstellung nachhaltiger, nahrhafter und schmackhafter Inhaltsstoffe aus Insekten. C-fu FOODS produziert texturiertes Insektenprotein (TIP), eine Fleisch-, Milch- und Eieralternative. Er ist zudem Mitbegründer von One Hop Kitchen, das die weltweit erste „Bugognese“ auf den Markt brachte, eine traditionelle Bolognese Sauce mit Mehlwurm und Grillen.
Max Krämer & Baris Özel (Deutschland) sind die Gründer von Bugfoundation. In Thailand stießen sie auf eine einfache Idee, die die Welt verändern könnte – aus schmackhaften Insekten wertvolle Lebensmittel zu machen. Ihr Insekten Burger ist mittlerweile in über 300 Supermärkten erhältlich und auf dem besten Weg, den Mainstream-Markt zu erobern.
Katja Gruijters (Niederlande) ist eine niederländische Pionierin im Bereich Lebensmitteldesign. Sie konzentriert sich dabei auf Gesundheit, Qualität, Ehrlichkeit und Abfallreduzierung. Sie hat das Buch „Food Design – Exploring the future of food“ geschrieben und ist Dozentin für Food Design am ArtEZ Institute of Art in Arnhem.
Wie können wir die Abneigung gegen Insekten also überwinden?
Nach Meinung der Vortragenden sollten Produkte mit Insekten vor allem gut schmecken. Denn wer sich überwindet und probiert, wird voraussichtlich gar keine Insektenprodukte mehr konsumieren, wenn der erste Bissen nicht gut schmeckt. Qualitativ hochwertige und leckere Produkte sind also eine Grundvoraussetzung, um Menschen davon zu überzeugen, regelmäßig Insekten zu verzehren.
Aber wie bringt man Menschen dazu, Insekten überhaupt zu probieren?
Zum einen durch Aufklärung – welche Insekten sind essbar, was sind ihre gesundheitlichen Vorzüge, woraus bestehen Insekten, wo werden sie gezüchtet, sind sie qualitativ hochwertig, wie werden sie gezüchtet… Zum anderen müssen Unternehmen, Wissenschaft und Politik dafür sorgen, dass optisch ansprechende, preislich erschwingliche und geschmacklich leckere Produkte auf den Markt kommen.
Laut einer aktuellen Studie fällt es uns Stand heute leichter, ein Produkt zu probieren, in dem das Insekt nicht als Ganzes sichtbar ist. Produkte mit zerkleinerten Insekten bieten sich also an, um den Verbraucher davon zu überzeugen, Insekten zum ersten Mal zu probieren. Da gemahlene Insekten von ihrer Struktur her jedoch nicht zu bestimmten Produkten wie Flüssigkeiten oder Tofu-ähnlicher Masse verarbeitet werden können, hat C-fu-Foods erfolgreich an der Entwicklung von texturiertem Insektenprotein (TIP) gearbeitet, einer Fleisch-, Milch- und Eieralternative, mit der verschiedenste Texturen hergestellt werden können. Das texturierte Insektenprotein eröffnet ganz neue Möglichkeiten, Insekten zu verarbeiten und neuartige Produkte zu entwickeln.
Neben Geschmack und Textur spielt auch die Optik eine entscheidende Rolle – hier sind das Aussehen des Produktes an sich, aber auch das Design der Verpackung und das Corporate Design von großer Bedeutung. Laut Katja Gruijters sollten Insekten im Design nicht sichtbar, sondern maximal leicht angedeutet sein, zudem sollte mit Farben und Grafiken ein Bezug zur Natur hergestellt werden.
Attraktiv sind beim Kauf eines Produktes aber nicht nur Design und Geschmack, sondern auch der richtige Preis. Aktuell sind Insekten und Insektenprodukte aufgrund der geringen Produktionsmenge noch vergleichsweise teuer. Eine Preissenkung kann mittelfristig nur durch weitere Innovationen, einen wachsenden Markt für Speise-Insekten und die Beteiligung großer Unternehmen erzielt werden.
Unternehmen sollten zudem beginnen, mehr Geld in Marketing-Aktivitäten zu investieren und zusammenzuarbeiten, um den Markt für Speise-Insekten anzukurbeln. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die meisten Insektenprodukte mit herkömmlichen Produkten konkurrieren müssen. Es ist also erforderlich, dem Kunden einen Mehrwert anzubieten und diesen auch deutlich zu kommunizieren. Im Fall von Nudeln mit Insektenmehl ist der klare Vorteil der höhere Anteil hochwertiger Proteine und Nährstoffe, verglichen mit herkömmlichen Nudeln.
Nicht zuletzt ist der Konsum von Lebensmitteln kulturell stark verankert – sei es welche Lebensmittel gegessen werden, wo sie gegessen werden oder wie sie zubereitet werden. Da Insekten in der westlichen Kultur jedoch seit Jahrtausenden nicht mehr konsumiert werden, müssen sie langsam wieder ihren Weg in unsere Esskultur finden. Sind Insekten nämlich kulturell nicht mehr tabu, wird der Einzelne mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einem Insektenprodukt greifen, welches neben den herkömmlichen Produkten im Regal liegt.
Eine interessante Frage: Sind Insekten wirklich das neue Sushi?
Zugegeben, ich habe den Vergleich ebenfalls herangezogen – es war einfach zu verlockend, damit für Insekten zu werben und euch vielleicht davon zu überzeugen, sie einmal zu probieren.
Für Jonas House, Dozent für die Gruppe Soziologie des Konsums und der Haushalte an der Universität Wageningen, sind Insekten jedoch nicht das neue Sushi. Warum? Laut House bestehen soziale Praktiken aus den 3 Elementen Material, Kompetenz und Bedeutung. Schauen wir uns ein Frühstück an, sieht es wie folgt aus:
Material: zum Beispiel Müsli, Brot, Salami, Käse, Besteck, Kaffeetasse, Frühstücks-Ei, Tomaten, Gurken, Nutella
Kompetenz: wir sind dazu fähig bzw. wissen, wie das Ritual Frühstück ausgeführt wird.
Bedeutung: das Frühstück hat in unserer Kultur eine bestimmte Bedeutung. Unter der Woche wollen wir etwas im Magen haben, am Wochenende ist es vielleicht ein gesellschaftlich und/oder familiär wichtiges Ereignis.
Sushi hat in Japan eine lange Tradition, die drei Elemente Material, Kompetenz und Bedeutung sind in die USA und später die ganze Welt übergeschwappt und wurden übernommen. Dazu gehören die verwendeten Materialien wie Lebensmittel, Schalen, Stäbchen und sonstige Einrichtung, aber auch Kompetenzen wie die Art der Zubereitung und des Konsums. Auch die Bedeutung von Sushi wurde in unsere Kultur übernommen.
In Ländern, in denen Insekten traditionell gegessen werden, werden sie entweder als Snack verspeist oder in Suppen und Eintöpfen verarbeitet. Weltweit werden sehr viele Arten auf unterschiedliche Weise konsumiert, eine einheitliche soziale Praktik existiert nicht. Vergleichen wir Insekten also mit Sushi, oder sagen wir, dass Insekten das neue Sushi sind, ist dieser Vergleich nicht korrekt. Vielmehr müssen wir Insekten auf eine ganz neue, individuelle Weise wieder in unseren Speiseplan integrieren. Sei es, indem wir Insekten mit bekannten sozialen Praktiken verbinden und beispielsweise Müsli, Energieriegel oder Burger mit Insekten herstellen, oder ob wir ganz neue soziale Praktiken erfinden.
Ein weiteres Highlight der Veranstaltung: Das Produkt Tasting
In den Pausen hatten wir die Möglichkeit, Produkte verschiedener Hersteller zu probieren und uns mit den Teilnehmern und den Vortragenden auszutauschen. Neben zahlreichen leckeren Insekten Snacks wie Kekse, Schokolade, Energieriegel, Kräcker und Chips gab es auch zwei Brotaufstriche, die ich persönlich sehr interessant fand. Interessant deshalb, weil die Brotaufstriche nicht zur Kategorie Snacks gehören, sondern auch prima zum Frühstück oder Abendessen gegessen werden können.
Zum Schluss das 4-Gänge Insekten-Menü im Restaurant of the Future
Nach der Vortragsreihe wurden wir von FoodSpace im Restaurant of the Future mit einem 4-Gänge Menü mit Insekten verwöhnt. Obwohl ich schon oft Gerichte mit Insekten gekocht habe und den Geschmack kenne, hat mich das 4-Gänge Menü überrascht. Die für mich neuartigen Kompositionen haben super geschmeckt und waren wirklich hochinteressant.
Die Betonung lag auf der Verbundenheit zwischen Insekten und Natur, was auf dem ersten Blick durch die essbaren Blumen und Kräuter deutlich wurde, die über den Tischen hingen. Als Eyecatcher lagen auf jedem Weinglas ein gerösteter Mehlwurm und eine Blüte, die gemeinsam gegessen wurden. Das Entré bestand aus aus appetitlich dargereichten Spießen – Heuschrecken im Tempura Mantel und Insekten-Falafel. Dazu gab es einen leichten Weißwein.
Die Vorspeise, ein Bananenblatt mit karibisch gewürzter Füllung, dazu frisches Gemüse und leckeres Dressing, war mein absolutes Highlight. Zum Hauptgang wurde die wirklich super leckere Insekten-Pasta von Plumento serviert, wieder in einer spannenden und leckeren Kombination mit Gemüse. Als Abschluss gab es ein fantastisches Dessert mit weißer Schokolade, das ich leider verpasst habe, weil ich mich auf den Weg ins 500 km weiter entfernte Ludwigsburg machen musste. Ich habe jedoch gehört, dass es verdammt lecker geschmeckt hat.
Vielen Dank an dieser Stelle noch einmal an die Köche, die dieses Menü gezaubert haben!
Bildquelle alle Bilder: @FoodSpace